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Kapitel 4: Pionierinnen

Gabriele Possanner von Ehrenthal

Gabriele Possanner
Gabriele Possanner von Ehrenthal war die erste Frau, die - nach langen Kämpfen - an einer österreichisch-ungarischen Universität die Doktorwürde erhielt. Sie wurde 1860 als Tochter eines Diplomaten geboren. Sie besuchte in Wien die Lehrerbildungsanstalt und maturierte 1887 als Externistin am Akademischen Gymnasium. Das berechtigte sie freilich nicht zum Studium an einer Universität in der Donaumonarchie.
Zwischen 1888 und 1893 studierte sie in der Schweiz Medizin. Dazu musste sie die Maturaprüfung in der Schweiz noch einmal ablegen. 1894 promovierte sie zum Doktor der Medizin und war nun berechtigt, in der Schweiz als praktische Ärztin zu arbeiten.
Um aber in ihrer Heimatstadt Wien als Ärztin arbeiten zu können, musste sie alle theoretischen und praktischen Prüfungen noch einmal ablegen, damit ihr Schweizer Diplom anerkannt wurde. Und das war auch erst möglich, nachdem sie mit zahlreichen Gesuchen und Bittbriefen bis zum Kaiser selbst vorgedrungen war. 1897 promovierte sie als erste Frau in der Monarchie. Sie eröffnete eine Praxis als praktische Ärztin und trat 1902 eine Stelle im Kronprinzessin Stephanie-Spital in der Thaliastraße an.
Gabriele Possanner von Ehrenthal verstarb am 14. März 1940 in ihrer Wohnung in der Alser Straße 26.

Elise Richter

Elise Richter
Elise Richter war die erste Universitätsprofessorin Österreichs. Sie wurde 1865 als Tochter eines Arztes in Wien geboren. Ab 1891 durfte sie einzelne Vorlesungen an der Universität Wien als Gasthörerin besuchen. 1896 maturierte sie 31-jährig als Externistin am Akademischen Gymnasium. 1897 wurden Frauen an der Philosophischen Fakultät Wien als ordentliche Hörerinnen zugelassen. Elise Richter studierte Romanistik und erwarb 1901 das Doktorat. 1905 wurde sie als erste Frau an der Universität Wien habilitiert. 1921 wurde sie als erste Frau zum außerordentlichen Professor ernannt. Später leitete sie das Phonetische Institut und untersuchte die physiologischen und psychologischen Grundlagen der Sprache. 1938 wurde sie von den nationalsozialistischen Machthabern wegen ihrer jüdischen Herkunft von der Universität ausgeschlossen. 1943 wurde sie ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie kurz darauf starb.

Olga Ehrenhaft-Steindler

Olga Ehrenhaft-Steindler
Olga Ehrenhaft-Steindler war die erste Frau, die an der Universität Wien ein Doktorat in Physik erwarb.

Olga Steindler wurde am 28. Oktober 1879 in Wien als Tochter eines Arztes geboren. Sie besuchte nach der Volksschule das Mädchengymnasium des Vereins für erweiterte Frauenbildung. Danach studierte sie als erste Frau Physik an der Universität Wien. 1903 erhielt sie ihr Doktorat. Im gleichen Jahr legte sie die Lehramtsprüfung für Mittelschulen ab.
Nach dem Studium hielt sie Physik-Kurse für Frauen und Mädchen und lehrte auch am Wiener Mädchengymnasium. Sie gründete ein öffentliches Mädchengymnasium und eine Handelsakademiefür Mädchen. Verheiratet war sie mit dem Physiker Felix Ehrenhaft. In ihrem Haus waren viele Wissenschaftler zu Gast, unter anderem auch Albert Einstein. Für ihren Einsatz auf dem Gebiet der Mädchenbildung und des Frauenstudiums wurde ihr als einer der ganz wenigen Frauen der Titel eines Regierungsrates verliehen. 1931 wurde ihr auch der Titel Hofrat zuerkannt. Sie starb 1933.

Lise Meitner

Lise Meitner
Lise Meitner war die zweite Frau, die in Österreich ein Doktorat in Physik erwarb.
Sie wurde 1878 als Tochter eines Rechtsanwalts geboren. Sie besuchte die Bürgerschule und legte das Lehrerinnen-Examen in Französisch ab. Im Selbststudium bereitete sie sich auf die Matura vor und legte die Reifeprüfung 1901 als Externistin am Akademischen Gymnasium ab. Im selben Jahr begann sie ihr Studium der Physik, Mathematik und Philosophie an der Universität Wien. 1906 erhielt sie als zweite Frau Österreichs ihr Doktorat in Physik.
1907 ging sie nach Berlin, wo sie den Chemiker Otto Hahn kennen lernte. Mit ihm gemeinsam betrieb sie Forschungen auf dem Gebiet der Radioaktivität, die sie in der wissenschaftlichen Welt bekannt machten. 1933 wurde ihr wegen ihrer jüdischen Abstammung die Lehrbefungnis entzogen. 1938 flüchtete sie nach Schweden, wo sie ihre Forschungen fortsetzte. Im selben Jahr berichtete ihr Otto Hahn von Beobachtungen, die auf ein "Zerplatzen" des Urankerns hindeuteten. Lise Meitner stellte gemeinsam mit ihrem Kollegen Otto Frisch die Berechnungen an, die diese Kernspaltung theoretisch erklärten, und sie fand mit Hilfe von Einsteins berühmter Gleichung E=mc² heraus, welche ungeheuren Energien bei einer solchen Kernspaltung frei werden. Sie wurde daraufhin von den USA eingeladen, an der Entwicklung der Atombombe mitzuarbeiten. Als Pazifistin lehnte sie diesen Vorschlag ab und blieb in Schweden.
Als Otto Hahn für die Entdeckung der Kernspaltung 1945 den Nobelpreis zuerkannt bekam, wurden Lise Meitner und Otto Frisch nicht berücksichtigt.
Lise Meitner erhielt bis zu ihrem Tod 21 wissenschaftliche und öffentliche Auszeichnungen. Sie war das erste weibliche Mitglied der naturwissenschaftlichen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das chemische Element Meitnerium ist nach ihr benannt. Sie starb 1968.

Margarete Schütte-Lihotzky

Margarete Schütte-Lihotzky

Margarete Schütte-Lihotzky war die erste Frau, die in Österreich ein Architekturstudium abschloss.
Sie wurde 1897 als Tochter eines Staatsbeamten in Wien geboren. Sie wurde die erste weibliche Kursteilnehmerin an der k.k. Kunstgewerbeschule. Sie studierte Architektur und errang schon vor ihrer Diplomierung Preise für ihre Entwürfe. Sie arbeitete vor allem im Bereich des sozialen Wohnbaus und entwickelte unter anderem die sogenannte "Frankfurter Küche", die der Hausfrau auf kleinstem Raum möglichst viel Komfort und Ausrüstung anbieten sollte. Von 1930 bis 1937 arbeitete sie in der Sowjetunion, später unterrichtete sie an der Akademie der bildenden Künste in Istanbul. 1940 reiste sie nach Wien, um sich an einer kommunistischen Widerstandsgruppe gegen die Nazis zu beteiligen. Sie wurde festgenommen und entging nur knapp dem Todesurteil. Nach dem Krieg erhielt sie in Österreich wegen ihrer politischen Einstellung als Kommunistin keine Aufträge. Sie arbeitete in der VR China, in Kuba und der DDR. Erst spät wurden ihre Werke in Österreich öffentlich anerkannt. 1980 erhielt sie den Architektur-Preis der Stadt Wien. Eine Ehrung durch den österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim lehnte sie 1988 wegen dessen zweifelhafter Vergangenheit ab. Sie starb 2000, kurz vor ihrem 103. Geburtstag.


Wiener Forum für Demokratie und Menschenrechte
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Martin Auer
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